RUSSIA INSIDE - UNTERWEGS IN RUSSLAND VON NISCHNI NOWGOROD BIS NACH SUSDAL
In dieser Radioreise nimmt Euch Alexander Tauscher mit auf eine Tour unter dem Motto "Russia Inside". Folgt ihm in das größte Land dieser Erde zu Orten abseits der Hauptstadt Moskau. Wir besuchen zunächst zwei Perlen am Goldenen Ring, sehen später den Mündung der Oka in die Wolga und entdecken dann eine winzige Siedlung in der tiefen russischen Provinz. Unsere Reise startet in Susdal und Vladimir, bekannt für ihre prächtigen Kirchen und Klöster. In Susdal erfahren wir im Gespräch mit Dmitri Simenow vom Chor des Erlöser-Euthymios-Klosters mehr über die einstige Hauptstadt eines wichtigen russischen Fürstentums. Dort, wo die Oka in den längsten Fluss Europas, in die Wolga, fließt, schlagen wir anschließend unsere Zelte auf. Nischni Nowgorod weist als heute sechstgrößte Stadt Russlands eine tiefe Geschichte auf. Sie entwickelte sich Mitte des 19. Jahrhunderts zur Drehscheibe des russischen Handels. Darüber erzählt uns Swetlana Okusina beim Blick vom Kreml auf den Zusammenfluss der beiden Ströme. Von seiner Wohnung auf einem Hügel oberhalb der Stadt blicken wir mit Alexej Metlin auf die neuen Sporttempel der Stadt und erinneren unter anderem an Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft 2018, die hier über die Bühne gingen. In der winzigen Siedlung Kurilicha in der Nähe der Stadt Arsamas erleben wir das unverfälschte russische Dorfleben. Imker Alexander Fuginin erzählt uns über seine Arbeit und dessen Tochter Lisa darüber, wie sie ihre Freizeit im Wald und am Fluss verbringt. Viel Spaß beim Entdecken von Russia Inside!
Nischni Nowgorod mit rund 1,3 Millionen Einwohnern liegt an der Einmündung des langen Flusses Oka in die noch viel längere oft besungene Wolga.
Einst war es die geschlossene Stadt zu Sowjetzeiten, eine Stadt, in der einer der berühmtesten Regime-Gegner von damals, Andrey Sacharow, verbannt wurde.
Im Sommer 2018, drei-einhalb Jahre vor Beginn des Ukraine-Krieges, in einer scheinbar ganz anderen Welt, wurden hier einige Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen.
Ihren Aufschwung erlebte die Stadt Anfang des 19. Jahrhunderts, als die Messe von Makarjew, eine der größten Handelsmärkte der damaligen Welt, hierher verlagert wurde.
Dies zog weitere Wirtschaftsakteure an, so dass die Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem der wichtigsten Industriezentren des Landes wurde. Somit entwickelte sie sich zu einem Treffpunkt der Kaufleute zwischen Westeuropa und dem Fernen Osten.
1932 wurde die Stadt nach dem dort geborenen Schriftsteller Maxim Gorki benannt und bekam bis 1991 den Status einer geschlossenen Stadt, die von Ausländern nicht besucht werden durfte.
Grund dafür war die hier ansässige Rüstungsindustrie, die einen Großteil der sowjetischen Rüstungsgüter produzierte, darunter auch Atom-U-Boote und Kampfflugzeuge. Außerdem wurde hierher verbannt, wer im System unangenehm aufgefallen war. Berühmte Dissidenten wie der Literaturnobelpreisträger Solschenizyn sowie der Atomphysiker und Nobelpreisträger Sacharow waren hier verbannt.
Unser Guide Swetlana erzählt uns im Radioreise-Podcast, dass zu
Sowjetzeiten die Einwohner so geheim gehalten wurden, dass selbst
Verwandte und Freunde nichts oder nicht viel davon wissen sollten. Perestrojka heißt auf Russisch Umbau. Mit dem Umbau und dem späteren Zerfall der Sowjetunion wurden bis dato
verschlossene Städte wie Kaliningrad oder Samara, das frühere
Kuibyschew, geöffnet. Gleiches gilt für Sewastopol, Tscheljabinsk, Wladiwostok und das heutige Nischni Nowgorod.
Am Ufer der Wolga in Nischni Nowgorod befindet sich die berühmte Tchkalov-Treppe, die mit 500 Stufen längste Treppe Russlands. Sie wurde vor allem von deutschen Kriegsgefangenen zum Gedenken an den Sieg der Sowjetunion gegen Hitlerdeutschland im Kampf um Stalingrad errichtet. Dieses Denkmal erinnert an die und vom Fürsten Dmitri Posharski zurückgedrängten polnischen Truppen.
Der Kreml als einzigartiges militärisch-technische Bauwerk aus dem frühen 16. Jahrhundert war eines der wichtigsten Elemente in der Verteidigung der Stadt.
In der Geschichte seiner Existenz wurde er trotz zahlreicher Versuche nie gefangen genommen.
Im Kreml befindet sich die älteste Kathedrale von Nischni Nowgorod, die Michael–Erzengel-Kathedrale als ein architektonisches Denkmal aus dem 17. Jahrhundert.
Unser Guide Swetlana Okusina schaut mit uns vom Kreml auf die Mündung der Oka in die Wolga.
Die Wolga ist einer der längsten Flüsse der Erde, der aber nicht in einen Ozean mündet, sondern in einem Binnengewässer, dem Kaspischen Meer.
Wegen dieser strategisch so wichtigen Lage war Nischni Nowgorod bereits lange vor der Vereinigung der russischen Fürstentümer das Zentrum der Zaren.
Über die Wolga schrieb die russisch-deutsche Schriftstellerin Lou Andreas Salome einmal:
Bist Du auch fern: ich schaue Dich doch an,
Bist Du auch fern: mir bleibst Du doch gegeben -
Wie eine Gegenwart, die nicht verblassen kann.
Wie meine Landschaft liegst Du um mein Leben.
Hätt ich an Deinen Ufern nie geruht:
Mir ist, als wüßt ich doch um Deine Weiten,
Als landete mich jede Traumesflut
An Deinen ungeheuren Einsamkeiten.
Die russisch-orthodoxe Kirche ist mit rund 150 Millionen Gläubigen die mit Abstand größte orthodoxe Nationalkirche.
Einen Rundgang durch die prächtigen Kirchen der Stadt erleben Sie in diesem bildlichen Schnelldurchlauf.
Nishni Nowgorod ist keine Provinz, hat aber auch nicht den Glamour von Moskau. Hier fahren noch die alten Trolleybusse, die an den Stromleitungen hängen. Auf den Straßen gibt es das eine oder andere Schlagloch mehr. Aber im Grunde ist das Leben ähnlich wie in Moskau. Und in den vollgepackten Auslagen der Geschäfte sieht man ohnehin keinen Unterschied. In einem Neubaugebiet auf einer Anhöhe über der Stadt traf ich Alexej Metlin.
Im Radioreise-Interview beschreibt Alexej den Blick über die Stadt und spricht darüber, wie und ob sich die Wirtschafts-Sanktionen des Westens auf Russland auswirkungen. Das erzählt er nicht abstrakt, sondern anhand seiner eigenen Wohnung.
Von Nischni Nowgorod aus entdecken wir einen der schmucksten Orte am so genannten Goldenen Ring. Susdal ist ein kleines Städtchen mit mehr als 50 Kirchen. Es war einst Hauptstadt eines wichtigen russischen Fürstentums.
Bereits im 10. Jahrhundert erhielt die Siedlung den Status als Stadt und wurde namentlich zum ersten Mal 1024 in den Chroniken erwähnt. Im Mittelalter war Susdal Hauptstadt verschiedener Fürstentümer.
Nachdem Susdal im 15. Jahrhundert endgültig zum Moskauer Großfürstentum überging, verlor sie ihre politische Bedeutung und wurde zu einem der größten religiösen Zentren Russlands.
Seit dem 16. Jahrhundert wurden in Susdal verschiedene Gotteshäuser erbaut. Unter anderem befanden sich hier die zwei größten Klöster Russlands – das Erlöser-Euthymios Herrenkloster und das Pokrowski Frauenkloster. Beide Klöster sind noch gut erhalten und wurden zu Museen umfunktioniert.
Nach der sozialistischen Oktoberrevolution 1917 wurden die vielen Kirchen und Klöster in Susdal zum Glück nicht zerstört.
So gibt es heute in der ganzen Stadt nicht einen einzigen Ort, an dem nicht die Kuppeln mindestens einer Kirche zu sehen sind. Der Fluss Kamenka teilt das kleine Städtchen, in der sich auch der Kreml mit der mächtigen Maria-Geburts-Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert befindet.
Der Bau von Häusern mit mehr als zwei Stockwerken ist offiziell verboten und die Stadt inzwischen Teil des UNESCO-Welterbes.
Feine Restaurants....
....und Souvenirgeschäfte haben sich auf den Tourismus eingestellt, der im Augenblick vor allem durch das Inland getrieben wird.
Vom kleinen russischen Städtchen geht es nun in eine winzige Dorfsiedlung, die bisher ganz sicher noch kein westeuropäischer Journalist betreten hatte.
Kurilicha ist eine winzige Siedlung rund 400 Kilometer südöstlich von Moskau. Wir waren spät abends angereist: zunächst über eine Autobahn, dann über eine recht breite Straße entlang vieler Dörfer und winziger Städte mit recht guter Infrastruktur. Nach mehreren Abbiegungen wurden die Straßen schmaler und irgendwann bogen wir ab, jedoch nicht auf eine Straße, sondern auf einen Trampel-Pfad auf der Wiese. Rund einen Kilometer führte der Weg durch den Birken- und Kiefernwald. Es war stockduster, der Mond schimmerte durch die Nebelschwaden. Im Elternhaus meiner Cousine Natalia Metlina verbrachten wir zwei Nächte.
In mühevoller Arbeit hatte Natalia Metlina das Haus aus einer besseren Baracke in ein gemütliches und voll ausgestatttetes Dorfhaus umgebaut.
Kurilicha, das sind Wälder und Felder, ein Fluss und damit viel Nährboden für Beeren und Pilze. Viele der Dorfbewohner kochen und konservieren hier für das gesamte Winterhalbjahr.
Îm Dorf trafen wir den Imker Alexander Fuginin in seiner Datsche.
Sascha, so nennt man den Alexander in Russland, erzählt uns von den zunehmenden Schwierigkeiten der Arbeit der Imker. Raps und Düngung zerstörten mehr und mehr die Lebensgrundlagen der Bienen.
Wir sprachen mit Sascha über das Dorfleben, über die Ruhe der Natur im Gegensatz zum Trubel der russischen Großstädte. Sascha erzählt uns im Radioreise-Gespräch, wie er die Freizeit hier verbringt.
Man ist als Westeuropäer wahrscheinlich überrascht, wie gut die Infrastruktur auch in der tiefsten Provinz ausgebaut ist. Es mangelt nicht an Tankstellen, Einkaufszentren, Werkstätten. Sogar in kleineren Siedlungen finden sich Hotels und Gästehäuser. Ein Unternehmen, dass Gips für das ganze Land herstellt, hat sogar ein ganzes Dorf finanziert, vom Fussball-Stadion bis zum Museum. In Kurilicha selbst ticken die Uhren etwas langsamer, scheinbar wie früher. Aber natürlich ist die Zeit auch hier keinesfalls stehengeblieben, erzählt uns der Imker Sascha. Beim gemeinsamen Mittagessen mit anderen Dorfbewohnern erleben wir, wie stark man sich hier gegenseitig unterstützt.
Im Sinne der gegenseitigen Völkerverständigung überraschen wir unsere Gastgeber mit bayerischem Spargel....
....und Münchner Weißwürsten.
Saschas Tochter Lisa sagte uns, sie brauche für eine glückliche Zeit nicht mehr als ihr Dorf und den Fluss.
Was die kleine Lisa einem deutschen Freund, wenn er sie besuchen würde, zeigen würde, erfahren Sie ebenfalls in unserer Sendung.
Wir wollen nicht von Idylle sprechen, denn Sorgen haben die Menschen in Russland nicht wenige. Aber hier in diesem Dorf treten sie nicht in den Vordergrund.
Am Ende dieser Radioreise bleibt uns ein Zitat von Fjodor Iwanowitsch Tjuttschew.
Verstand wird Russland nie verstehen.
Kein Maßstab sein Geheimnis rauben.
So wie es ist, so laßt es gehen.
An Russland kann man nichts als glauben.
Wir glauben an bessere Zeiten für Russland, für uns – und vor allem für uns gemeinsam.
An dieser Stelle bieten wir gerne die kostenfreie Urlaubsverlängerung in Russland an. Unsere Sendung "Russischer Winter" dringt auch tief in den Alltag dieses Landes ein. Aufzeichnet wurde sie im Januar 2022.
https://www.radioreise.de/2022/01/russischer-winter-mit-heissen-gruessen-von-vaterchen-frost.html
Daraufhin folgte eine Reihe von Spezialsendungen, die sich mit dem Leben in Moskau seit Beginn des vollumfänglichen Ukraine-Krieges beschäftigen.
https://www.radioreise.de/2025/05/moskauer-ruckblicke-erlebnisse-rund-um.html
https://www.radioreise.de/2023/01/moskauer-notizen-persoenliche-begegnungen-zur-jahreswende-2022-2023.html
https://www.radioreise.de/2024/01/moskauer-ansichten-begegnungen-in-der.html
https://www.radioreise.de/2024/05/moskauer-momente-gesprache-und.html
https://www.radioreise.de/2025/01/moskauer-perspektiven-begegnungen-in.html
Das ist der Urlaubskatalog der vielen Radioreisen, die vor Kriegsbeginn in scheinbar besseren Zeiten aufgenommen wurden.
https://www.radioreise.de/2020/05/moscow-highlights-das-sollte-man-in-moskau-gesehen-haben.html
https://www.radioreise.de/2019/08/moskowiter-spannende-menschen-in-der-russischen-hauptstadt.html
https://www.radioreise.de/2018/12/moskau-eine-zeitreise.html
https://www.radioreise.de/2016/11/inside-moscow.html
https://www.radioreise.de/2018/12/nostalgiereise-moskau.html
https://www.radioreise.de/2019/10/moskauer-szene-vips-aus-politik-und-show.html
https://www.radioreise.de/2021/05/moscow-nightlife-das-wilde-moskauer-nachtleben.html
Auf ein Wiedersehen in Russland in endlich hoffentlich friedvolleren Zeiten!