BERLIN - Entlang der einstigen Mauer im grenzenlosen Spree-Athen
Bild: Visit Berlin / Birgit Binder |
Wir starten diese Mauerreise in der Mediaspree, eines der größten Investorenprojekte in Berlin. Große Musikkonzerne und Medienhäuser haben sich in modernen oder aufgemöbelten Bauten an der einstigen Ostseite der Spree angesiedelt. Auf größtenteils bislang un- oder zwischengenutzten Grundstücken entstanden Bürogebäude, Lofts und andere Neubauten. Genau hier fand zu DDR-Zeiten ein spektakulärer Flutchtversuch mit einem Schiff statt. Ein Kapitän wurde mit Alkohol quasi betäubt, während die Flüchtlinge das Steuer ergriffen und mit mehr als 100 Kugeln von den Grenztruppen beschossen worden. Die ganze Geschichte erzählt uns Zoey Zoley, die uns auf dieser Mauerreise im Auftrag von Zeitreisen Berlin begleitet.
Die Figur im Sonnenaufgang stellt Moleküle dar, die uns Menschen verbinden, diesseits und jenseits von Grenzen, erklärt Zoey.
Vom nhow Hotel Berlin sehen wir rechts die Oberbaumbrücke, die heute die Bezirke Friedrichshain und Kreuzberg verbindet. Im geteilten Berlin diente sie als Grenzübergang zwischen den Sektoren, wobei den meisten Ostberlinern freilich der Weg über die Spree verwehrt war.
Direkt neben der Oberbaumbrücke liegt das Gelände der East Side Gallery auf dem längsten noch erhaltenen Teilstück der Berliner Mauer, entlang der Mühlenstraße. So sah die Mauer hier vor der Öffnung aus.
Im Frühjahr 1990, nach der Öffnung der Berliner Mauer, wurde dieses Teilstück von 118 Künstlern aus 21 Ländern auf einer Länge von 1316 Metern bemalt.
Die Künstler kommentierten in gut einhundert Gemälden die politischen Veränderungen der Wendejahre. Einige Bilder genießen bereits Kultstatus.
Doch leider wurden viele Kunstwerke von den Besuchern beschmiert oder ganz übermalt.
Zoey Zoley betont im Radioreise-Gespräch, wie unverschämt das Verhalten vieler Besucher sei. Schließlich sei die Kunst auf der Mauer denkmalgeschützt.
50 oder gar 100 Jahre sollte die Mauer nach dem Willen der SED-Machthaber stehen, zum Glück hat sie dieses Alter nie erreicht. An vielen Orten der Stadt ist die Trennlinie kaum noch sichtbar. Auch am Checkpoint Charlie muss man den genauen Grenzverlauf heute schon suchen. Der wohl berühmteste Grenzübergang der einst geteilten Stadt ist heute fast schon ein Rummelplatz mit viel Kommerz.
Die legendäre Grenzhütte der Amis war zwischenzeitlich sogar abgetragen worden. Doch ohne sie wäre dieser Ort nicht denkbar - und so ist die Hütte eines der beliebtesten Fotomotive am Checkpoint Charlie.
Auch dieses Sektorenschild werden die jungen Berliner nur noch aus Geschichtsbüchern kennen.
Am Checkpoint Charlie werden wir auch an den besonderen Vier-Mächte-Status Berlins erinnert.
Mit der Checkpoint Currywurst und anderem machen Händler ein gutes Geschäft. Zum Glück widmen sich einige Museen noch der Geschichte dieses Ortes. Zoey Zoley erinnert uns daran, wie an dieser Stelle beinahe der dritte Weltkrieg ausgelöst wurde.
Genau dort, wo einst strenge Personenkontrollen das Lebensgefühl und Stadtbild prägten, am Checkpoint Charlie, befindet sich das ganze Jahr über die im August 2019 eröffnete TimeRide Attraktion in Berlin. In der Zimmerstraße wird für Gäste tagtäglich das geteilte Deutschland lebendig und der Fall der entzweienden Mauer gefeiert. Mit einer 3-D-Brille reist der Besucher im Bus von West- nach Ostberlin. Die Radioreise hat Besucher nach ihren Eindrücken gefragt.
Wir erreichen einen weiteren Mauerstreifen an der Niederkirchner Straße und stehen vor dem einstigen Reichsluftfahrt-Ministerium. Hier spielte sich zu DDR-Zeiten eine spektakuläre Flucht mit einem Seil über die Mauer ab. Und hier jonglierte auf der Krone der Westseite der Mauer einst ein älterer Kanadier, bis ihn die DDR-Grenzer an den Füßen nach unten zogen. Zoey Zoley erzählt uns in der Radioreise packend beide Geschichten.
Zoey Zoley hat auf dieser Tour von Zeitreisen Berlin ihr Tablet dabei und zeigt uns auf dem Bildschirm und in Natura etliche Schauplätze spektakulären Mauer-Aktionen. Und sie verweist uns zum Beispiel auf diesen Anfangstypen eines Wachturms, der später durch modernere ersetzt wurde.
Mit Zoey stehen wir vor dem Symbol der Stadt, dass inmitten der Mauer stand, und trotzdem zu DDR-Zeiten als Motiv auf Postkarten verkauft wurde. Es ist das Tor, vor dem heute jedes Jahr hunderttausende Menschen Silvester feiern. Am 9.11.2019 wurde hier mit einer großen Party der 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer gefeiert.
Zehntausende Wünsche und Gedanken zum Mauerfall flatterten in kleinen Zetteln über der Festmeile auf der Straße des 17.Juni.
Mit einem Klassiker der DDR-Rockmusik hatte die Bühnenshow zum 30. Jahrestag des Mauerfalls begonnen. Sänger Dirk Michaelis präsentierte die Ost-Kult-Ballade "Als ich fortging". Der im Jahr des Mauerbaus in Chemnitz geborene Sänger und frühere Frontmann der Rockband Karussell hatte das Lied schon als Jugendlicher komponiert und 1987 veröffentlicht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betonte, die Mauer sei nicht einfach gefallen. Die friedlichen Revolutionäre hätten sie eingerissen. Die "Mutigen in der DDR" hätten Geschichte geschrieben, dafür könnten die Deutschen ihnen auch 30 Jahre später "nicht dankbar genug sein". Umjubelt wurde auch sein deutliches Statement zur politischen Entwicklung in Deutschland. In den vergangenen Jahren seien quer durchs Land neue Mauern entstanden: "Mauern aus Frust, Mauern aus Wut und Hass. Mauern der Sprachlosigkeit und der Entfremdung", so Steinmeier. Er fügte hinzu: "Reißen wir diese Mauern endlich ein!"
Vor dem Brandenburger Tor erinnern wir uns an die Zeit der Teilung Berlins, als auf der Westseite Stars wie David Bowie spielten und die jungen Menschen in Ostberlin daran gehindert worden, einfach ihren Stars zuzuhören. Zum Glück übertrug die Jugendwelle rias2 damals die Konzerte.
Damit sind wir im Kinderzimmer eines durchschnittlichen DDR-Bürgers. Der skr700-Stereo-Rekorder war der erste, den sich Alexander Tauscher damals kaufte.
Damit wurde ganz sicher die Leidenschaft fürs Radio geweckt. RIAS, SFB oder NDR - die fröhlichen Wellen schwappten zum Glück über Mauer und Stacheldraht in die meisten Gebiete der DDR.
Wir fanden diesen Rekorder vis a vis des ehemaligen Palastes der Republik. Denn hier befindet sich ein Ort, an dem der erste deutsche Arbeiter und Bauernstaat immer noch lebt, im DDR-Museum.
Das DDR Museum ist eines der meistbesuchten Museen Berlins. Es zeigt den Alltag eines untergegangenen Staates zum Anfassen. Dabei wird Geschichte lebendig, interaktiv und trotzdem wissenschaftlich fundiert vermittelt. Das Museum gliedert sich in mehrere Bereiche. Das politische System der DDR nimmt einen großen Platz ein. Ein Modell zeigt die brutale Abschirmung des Landes nach Westen durch Mauer und Stacheldraht.
In solchen Zimmern fielen die Entscheidungen der SED-Bonzen.
Eine Form des Wahlomat zeigt die Rolle der Blockparteien im Konzert, in dem die SED immer die erste Geige spielte.
Während der DDR-Bürger froh war, einen Trabbi zu bekommen, ließ sich die Staatsführung in Westlimousinen durchs Land chauffieren.
Im Ausstellungsraum „Öffentliches Leben“ wird das Alltagsleben in der DDR vorgestellt. Eine Plattenbausiedlung ist in thematische Blöcke wie „Ausbildung“, "Konsum“, "Sport“, Musik“ oder „Urlaub“ aufgeteilt.
Dem Besucher bietet sich zum Beispiel der Einblick in ein durchschnittliches DDR-Wohnzimmer. Durchdurchschnittlich deshalb, weil diese Schrankwand der Klassiker und faktisch fast alternativlos war.
Der Fernseher zeigt für einen ausgewählten Abend das Programm von ARD, ZDF sowie DDR 1 und DDR 2. In der Schrankwand öffnen sich geistreiche Inhalte...
Erinnerungen an ein DDR-Kinderdoppelstockbett:
DDR-Bürger werden sich noch an diese sexy Turnhosen erinnern....
Damals liefen Fussballer nicht wie heute in schlabbrig langen Shorts auf dem Rasen auf. Die Sportler zeigten mehr von ihren strammen Schenkeln.
Mode war zu DDR-Zeiten nur im Katalog vielfältig....
Einen höchstinteressanten Einblick in die real existierende Mangelwirtschaft bietet ein Tagebuch einer DDR-Hausfrau, die sämtliche Mängel des Alltags dokumentierte. Auch die Presse-Vielfalt war sehr begrenzt.
Abseits von Politik gab es in der DDR auch ein ganz privates Leben: Familie, Freunde, Liebe und Triebe, Musik. Diesen Spagat versucht das Museum zu finden. Für in der DDR geborene Besucher entstehen immer wieder Erinnerungen mit dem "Ach ja..."-Effekt...
So sahen real-sozialistische Ausblicke aus einer Ostberliner Neubau-Wohnung aus....
Viele der ausgestellten Exponaten dürfen und sollen berührt werden, betont Vanessa Jasmin Lemke, die Pressesprecherin des DDR-Museums im Radioreise-Interview.
40 Jahre sind in der Geschichte der Welt ein winziger Moment, aber im Leben der Menschen ist es mindestens ein halbes Leben, es sind Biografien. 40 Jahre DDR auf einer Etage – das ist eine Herausforderung, die sicher nicht einfach ist. Nach diesem Bruderkuss ging es mit der DDR recht schnell zu Ende.
40. Jahrestag der DDR-Staatsgründung, Proteste vor dem Palast der Republik, die Montagsdemos, die große Demo am 4.11.1989 auf dem Alexanderplatz. Es waren heiße Tage im Wendeherbst, die wir in der Radioreise im Gespräch mit Zoey Zoley noch einmal Revue passieren lassen. Als Günther Schabowski vor einem rias2-Mikrofon letztlich den Mauerfall verkündete, nahm die Geschichte ihren eigenen Lauf. Wie hat die RIAS-Ikone Nero Brandenburg diesen historischen Abend erlebt? Wir haben ihn im Mauercafe an der Bernauer Straße gefragt.
Wir haben dort sehr ausführlich über seine Zeit im heißgeliebten RIAS gesprochen. Dieses Interview rollen wir an anderer Stelle auf. Versprochen! Und Ehrensache, denn wir vergessen doch den RIAS niemals und tragen ihn immer im Herzen.
Der RIAS ist leider der Einheit zum Opfer gefallen, obwohl er alles dafür getan hat, dass wir Deutsche jetzt in Frieden und Freiheit zusammenleben. Erinnerung und Gedenken an die Teilung - das ist die Aufgabe, die sich die Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße gesetzt hat.
Die Gedenkstätte Berliner Mauer liegt am historischen Ort in der Bernauer Straße und erstreckt sich auf 1,4 Kilometer Länge über den ehemaligen Grenzstreifen. Auf dem Areal der Gedenkstätte befindet sich das letzte Stück der Berliner Mauer, das in seiner Tiefenstaffelung erhalten geblieben ist. Hier sieht der Besucher, wie die Grenzanlagen mit Vorder- und Hintermauer aussah. Anhand der weiteren Reste und Spuren der Grenzsperren sowie der dramatischen Ereignisse an diesem Ort wird exemplarisch die Geschichte der Teilung nachvollziehbar. Kurz nach dem Mauerfall war der Erhalt der Mauer hier äußerst umstritten, erinnert sich Hannah Berger, die Pressesprecherin der Stiftung Berliner Mauer im Radioreise-Interview.
Damit endet eine Radioreise mit viel Gänsehautgefühl, mit Momenten, an die sich viele noch selbst erinnern. Wir durchliefen in Berlin Orte und Tage, die die Welt veränderten. Sie können mit uns gern eine weitere Zeitreise durch Berlin antreten, durch das Berlin der 1920iger Jahre.
BERLIN - Eine Zeitreise ins alte Spree-Athen
Eine andere Radioreise ist auf den Spuren des Bauhauses in Berlin unterwegs, von Rotterdam aus kommend.
ROTTERDAM - BERLIN: Die Bauhaus-Reise
Und eine dritte Radioreise zeigt Ihnen unbekannte Orte in Berlin und Amsterdam.
BERLIN - AMSTERDAM: Secret Places
Begleitet hat uns heute die charmante Zoey Zoley. Sie ist nicht nur Stadtführerin, sondern auch Künstlerin und eine echte Perle von der Spree.
Auf ein Wiedersehen in Spree-Athen!